«Späte Gäste» von Gertrud Leutenegger
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Das Thema Flucht mit ihren verschiedenen Gesichtern ergründet die Schweizer Autorin Gertrud Leutenegger in ihrem neuen Roman «Späte Gäste». Eine Frau kehrt gegen Abend in das kleine Tessiner Dorf an der italienischen Grenze zurück: Ihr einstiger Partner, der Architekt und Künstler Orion, ist gestorben. Sie richtet sich für die Nacht in der alten Villa am Waldrand ein, für sie wie ein Schutzort. Dorthin flüchtete sie früher oft mit ihrem Kind, wenn Orion wieder einmal betrunken war. Es kommt an diesem Abend und der Nacht vieles hoch in der Erzählerin. Plötzlich scheinen sich auch Migranten der Villa zu nähern, deren Wirt selber einst Migrant war, ein Sizilianer, der immer wieder in seine Heimat zurückkehrt, um dort obdachlosen Flüchtlingen Arbeit und Unterkunft zu verschaffen. Von Flucht und Vertriebensein, Verlust und Trauer erzählt Gertrud Leutenegger, und es klingt wie aus einem Grenzbereich zwischen Wachsein und Wachtraum, so wie sich überhaupt die Grenzen in diesem Roman verwischen: zwischen Totem und Lebendigem, Heimatlichem und Fremdem, Hässlichem und Schönem, Traurigem und Komischem. Ein starker Roman, dessen Stille die Lesenden hellwach, offen und heiter macht. Buchhinweis: Gertrud Leutenegger. Späte Gäste. Suhrkamp Verlag, 2020.